In der Kreistagssitzung am 14. März hielt VWG-Fraktionsvorsitzender Martin Kuster folgende Grundsatzrede zur Schulstandortentwicklung:
Stell dir vor, es ist Wahljahr, und die Volksvertreter gehen dennoch verantwortungsvoll und nachhaltig mit unserem Volksvermögen um. Eine Vision, die sich im Kreis Wesel dank CDU, SPD und Grüne offenbar mal wieder nicht erfüllen wird. Zwei Gebäude, die in ihrer Substanz und ihrem Funktionsumfang völlig in Ordnung sind, ja teilweise sogar vor nur wenigen Jahren aufwändig saniert und modernisiert wurden, sollen nun ohne Not der Abrissbirne zum Opfer fallen.
Was motiviert die Befürworter im Kreistag zu dieser Steuerverschwendung? Ich behaupte: Damit sie sich vor der Kommunalwahl im kommenden Jahr stolz auf einer Baustelle mit einem Spaten in der Hand vor den Kameras präsentieren können nach dem altbewährten Politiker-Motto: Ich baue, also bin ich!
Dumm nur, dass dieses Foto den Steuerzahlern rund 80 Millionen, im schlimmsten Fall sogar bis zu 100 Millionen Euro kosten wird.
Dumm nur, dass mit dem Abriss der bestehenden Berufskolleg-Gebäude in Moers Kreisvermögen im Wert von aktuell bis zu 20 Millionen Euro dem Erdboden gleichgemacht wird.
Dumm nur, dass der unnötige Bau eines neuen Berufskollegzentrums überhaupt nichts mit moderner Bildungspolitik zu tun hat. Selbst das Gutachten gibt unmissverständlich zu, dass pädagogische Aspekte mit nur 12 Prozent den geringsten Anteil an den Kriterien zur Abwägung der verschiedenen Schulkonzepte haben. Stattdessen werden intakte und bewährte Schulstrukturen zerstört und eine mit bis zu 5.000 Schülern umfassende anonymisierte Schullandschaft geschaffen. Der Schulkollos wird mehr Schülerinnen und Schüler aufnehmen als viele Fachhochschulen! Das Schlimmste jedoch: Es werden für immer Zig Millionen Euro verpulvert, die für eine moderne Berufsbildung im Kreis Wesel dringend benötigt würden:
nämlich für eine moderne und lernfördernde Innen- und Medienausstattung ALLER Berufskollegs im Kreis Wesel! Von der Weisheit, dass man Geld nur einmal ausgeben kann, scheinen viele hier im Kreistag noch nichts gehört zu haben.
Schauen wir uns mal die befürwortenden Fraktionen im Einzelnen an. Da haben wir die CDU als größte Fraktion im Kreistag. Wie der Presse zu entnehmen ist, gab es bei ihr nur eine knappe Mehrheit für das Steuer-verschwendungskonzept. Doch anstatt wenigstens bei diesem Thema den Fraktionszwang aufzuheben – zumal ganz offensichtlich der Fraktionsvorstand eine andere Meinung als die Fraktionsmehrheit vertritt, kündigt der Fraktionschef im Kreisausschuss schon mal vorsorglich an, seine Fraktion würde geschlossen abstimmen. Dazu sollte sicherlich der von der CDU-Fraktion eingebrachte Antrag beitragen, der noch die Möglichkeit zumindest offen ließ, auf den Abriss der beiden Moerser Berufskollegs zu verzichten. Liebe Kreistagsmit-glieder der CDU, die fraktionsintern gegen den sogenannten Campus gestimmt haben: Seien Sie sich bewusst, dass mit dem Antrag von SPD und Grüne, dem sich Ihre Kreisausschussmitglieder unterworfen haben, der Abriss nun unwiderruflich auf den Weg gebracht werden soll! Wenn Sie für den Antrag stimmen, stimmen Sie für die Variante 4, ohne Wenn und Aber!
Dann haben wir als zweitgrößte Kreistagsfraktion die SPD. Gibt es doch Genossen in dieser Fraktion, die immer wieder die Höhe der Kreisumlage beklagen und dem Kreis Verschwendung zu Lasten ihrer Kommunen vorhalten. Aber wo sind denn jetzt diese Genossen? Wo hört man denn ihre mahnenden Worte, dass mit der Vernichtung von Kreisvermögen und einem völlig überdimensionierten Bauprojekt, das pädagogisch keinen nachweisbaren Mehrwert besitzt, eine weitere Erhöhung der Kreisumlage in den nächsten Jahren droht –
spätestens dann, wenn die Rücklagen verfrühstückt worden sind? Stattdessen großes Schweigen der Kreiskritiker unter den Genossen!
Handelt es sich bei der Fraktion, die hier im Kreistagssaal zwischen FDP und SPD sitzt, wirklich um die Grünen? Gehören diese Kreistagsmitglieder tatsächlich der Partei an, die völlig berechtigt gegen den Wahnsinn „Bahnprojekt Stuttgart21“ und Flughafenprojekt Berlin eintrat, weil sie diese sinnlosen und überdimensionierten Bauvorhaben nicht als Maßnahme moderner Verkehrspolitik akzeptierte und die Gutachten, wie sich schon wenig später herausstellte, völlig zu Recht als geschönt kritisierte? Und genau diese Partei feiert hier im Kreis Wesel das überdimensionierte Schulbauprojekt „Moers21“ als moderne Bildungsmaßnahme! Genau diese Partei entpuppt sich im Kreis Wesel als absolut gutachtergläubig – und dies bei einem Gutachten, dessen Zahlen sich innerhalb nur weniger Monate widersprechen, die zudem völlig vage, teilweise undurchschaubar sind und einige Kosten, wie die FDP zu Recht festgestellt hat, bei der sogenannten Campus-Lösung ganz offensichtlich nicht berücksichtigt. Genau diese Grünen kritisieren eine Infragestellung dieses fragwürdigen Gutachtens als intellektuelles Geplänkel!
Und der Landrat? Er führt den Kreistag vor, indem er plötzlich und ohne Einbindung des Kreistages eine neue Variante aus dem Hut zaubert, die er dreister Weise auch noch als Variante 3 ausgibt! Es war zuvor bei Variante 3 nie vom Abriss des Berufskollegs Technik die Rede! Statt-dessen werden uns bei Variante 3b auf einmal Kosten für einen Neubau des Berufskollegs Technik präsentiert! Eine Berechnung der eigentlich vorgesehenen Variante 3? Fehlanzeige! Nun gut, dass der Landrat den Kreistag nicht wirklich ernst nimmt, mag aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre kaum einen hier im Kreistag verwundern.
Dass nun jedoch die drei großen Parteien dieses Spielchen mitspielen, ist in der Tat ein teures Trauerspiel.
Kurz noch eine Kostprobe für den Irrsinn des Antrags der drei großen Fraktionen: Ist eine der Begründungen des Gutachtens für die Notwendigkeit eines Berufskollegzentrums die Parkplatznot am Mercator-Kolleg, beantragen CDU, SPD und Grüne nun, die Parkflächen am neuen Zentrum aus Kostengründen „restriktiv zu planen“. Dies ist an Absurdität kaum zu überbieten.
Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren!
Es geht hier um viel viel Geld. Und es geht hier um eine moderne, sinnvolle Bildungspolitik als Alternative zu einem sinnlosen Bauwahn. Es geht aber auch darum, ob bei einer so wichtigen Entscheidung die hier versammelten Abgeordneten wirklich nach ihrem Gewissen zum Wohl des Volkes, oder lediglich zum Wohl ihrer Fraktion und Partei abstimmen. Die FDP und VWG halten es darum für unverzichtbar, dass dies protokollarisch festgehalten wird und die Befürworter sich ganz persönlich für ihre Entscheidung verantwortlich zeigen müssen. Darum beantragen die beiden Fraktionen eine namentliche Abstimmung über den gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und Grüne.